Am Freitag, 5. Juli 2024, war ich im “Welttheater Einsiedeln“. Beeindruckend die künstlerische Inszenierung mit Musik und Licht auf dem Klosterplatz vor der grossen Klosterkulisse. Noch beeindruckender das Engagement der Einsiedler-Bevölkerung – mehrere hundert Kinder, Männer, Frauen, die in diesem Sommer nicht in den Urlaub fahren, sondern sich ehrenamtlich fürs Welttheater engagieren – auf, hinter und neben der Bühne.
Und das Stück? Eine Welt ohne Gnade und ohne Gott? Die Rollen (der Bauer, der Reiche, der Arme, die Schöne, der König, die Weisheit) sind nicht mehr wie in Calderons ursprünglicher Version vorgegeben, sondern müssen selbst gestaltet werden – ohne Unterstützung der “Gnade”. Der Autor (in Calderons Stück noch “Gott”) wird verjagt, das Kloster geplündert. Der – in meiner Erinnerung – häufigste Satz des Welttheaters lautet «Ich will». Mit diesem Satz muss sich die noch ungeborene Emanuela verpflichten, die Rollen in der Welt zu übernehmen. Mit diesem Satz deutet sich am Ende an, dass die Welt doch weitergeht. Es erinnert etwas an den Gedanken Schopenhauers der Welt als Wille und Vorstellung. Wie die Welt rauskommt, wenn sie vom Willen des Menschen getragen wird, zeigt sich eindrücklich: Keine Rolle führt zur Erfüllung, jede landet in der Enttäuschung und in der menschlichen Erschöpfung. Macht wird missbraucht, Beziehungen zerbrechen, Schönheit führt zu Überheblichkeit. Alles Gute, das die Welt zu bieten hätte, wird pervertiert. Ist es das, was «Ich will»? Ist die Welt wirklich nur durch menschlichen Willen getragen?
Während vor der Klosterfassade das «Ich will» grossartig inszeniert wird, wird hinter der Klosterfassade tausendfach unscheinbar und leise gebetet: «Dein Wille geschehe». Vielleicht kann man das «Ich will» wirklich nur an einem solchen Ort in dieser Radikalität Gestalt werden lassen, weil es von einem Grösseren getragen wird. Die weissen Friedenstauben, die dem Grab auf der Klosterfassade entfliegen, entstammen jedenfalls nicht dem menschlichen Willen. Der Klosterplatz, die Klosterfassade und das Klostergebäude trotzen dem Trotz des Menschen und verweisen darauf, dass das «Ich will» vielleicht doch nicht das letzte Wort ist und sein sollte.